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Submissionsverfahren gilt auch für Werbung

Werbevergaben: Dürfen Kommunikations- und Werbeaufträge freihändig vergeben werden? Oder muss die öffentliche Hand solche Aufträge im offenen oder selektiven Verfahren vergeben? Die Antwort ist eindeutig: Im Zweifelsfall soll der Wettbewerb spielen, wenn die Auftragssumme die Schwellenwerte übersteigt. Das freihändige Verfahren ist dann nur möglich bei "künstlerischer oder technischer Besonderheit", "Schutz des geistigen Eigentums" und "Ergänzung früherer Arbeiten".

 

In der Schweiz werden pro Jahr für rund 30 Milliarden Franken Staatsaufträge an Private vergeben. Bis 1995 fehlten in der Schweiz Vergabe-Vorschriften. Seit rund 10 Jahren sind aber auch in der Kommunikationsbranche die Submissionsgesetzgebungen zu beachten. Werbe- und andere Kommunikationsagenturen haben sich seither weit intensiver auch mit den formalen Aspekten der Submissionsgesetzgebung zu befassen. Freihändige Vergabe ist nur ausnahmsweise möglich.

Das freihändige Verfahren
Kommunikationsagenturen und Auftraggeber stellen sich immer wieder die Frage, ob dennoch die freie Vergabe an Agenturen überhaupt noch möglich sei? Im freihändigen Verfahren wird der Zuschlag direkt und ohne Ausschreibung einem einzelnen Anbieter vergeben. Freie Vergabe ist überall dort möglich, wo die vom Bund oder den Kantonen festgelegten Schwellenwerte nicht erreicht werden. Wenn die Schwellenwerte erreicht werden, ist freie Vergabe nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich.

Über diesem Schwellenwert kann die freihändige Vergabe nur in Ausnahmefällen frei vergeben werden. Die Ausnahmetatbestände richten sich nach Art. XV GPA (Siehe Kasten).

Künstlerische Besonderheiten
Das freihändige Verfahren kommt als Ausnahmetatbestand zum Zuge, wenn aufgrund künstlerischer Besonderheiten nur ein Anbieter in Frage kommt und es keine angemessene Alternative gibt (Art. XV Abs. 1 lit. b GPA; Art. 13 Abs. 1 lit. c VoeB). Dies gilt beispielsweise, wenn die Stadt St. Gallen unbedingt ein Kunstwerk von Roman Signer erwerben will. Gilt dies aber auch, wenn das Dada-Haus eine Werbekampagne unbedingt einem bestimmten Künstler-Duo, z.B. com&com vergeben will, weil diese Künstler im Grenzbereich von Medien, Marketing und Kunst tätig sind? Wären hier Alternativen zu prüfen? Oder wenn ein Konzern mit Karrikaturen von Nico eine Kampagne aufbauen will? Oder ausschliesslich auf der Basis von Fotografien von René Burri oder Alberto Venzago gearbeitet werden soll?

„Die subjektiv oft unterschiedliche Interpretation des Kunstbegriffs eröffnet hier ein gewisses Missbrauchspotential“, schreibt Christopher Meyer, Lehrbeauftragter an der Universität Zürich in der Zeitschrift AJP 6/2005. Deshalb dürfe der Ausnahmetatbestand „künstlerische Besonderheit“ nur angenommen werden, wenn die Möglichkeit eines alternativen Anbieters objektiv nicht gegeben sei. Dies sei nicht der Fall, wenn für die Vergabebehörde objektiv betrachtet das Produkt im Vordergrund stehe, welches auch andere Kreative gleich oder ähnlich hervorbringen könnten. Es wird argumentiert, auch Architekten stünden ja „auf der Schwelle zur Kunst“, und hier würde der Wettbewerb ja ausgeschaltet, wenn persönliche Präferenzen gleich als „künstlerische Besonderheit“ hingestellt würden. Dem ist entgegen zu halten, dass es unter künstlerischen Gesichtspunkten durchaus auch gute Gründe gibt, einen bestimmten kreativen Stil – und nur diesen – zu berücksichtigen. Wesentlich ist es, die Gründe und Kritierien für diesen Entscheid transparent zu machen.

Schutz des geistigen Eigentums
Ein weiterer Ausnahmetatbestand, welcher die freihändige Vergabe zulässt, liegt im Schutz des geistigen Eigentums. Hier geht es darum, eine bereits bestehende Kampagne weiterzuentwickeln, aber nicht durch eine neue zu ersetzen. Wenn die Auftraggeberin keinen full buyout mit Bearbeitungsrecht vereinbart hat, darf eine Zweitagentur das bisher Geschaffene nicht beliebig ver- und bearbeiten. Es gibt dann keine angemessene Alternative zur Erstagentur (Art. 13 Abs. 1 lit. c VoeB, Art. XV Abs. 1 lit. b GPA). Aber aufgepasst: Das will nicht heissen, dass bei bereits erbrachten planerischen Vorleistungen oder Vorstudien ein Exklusiv-Anspruch der Projektverfasser im Rahmen einer freihändigen Vergabe bestünde.

Vergabe von zusätzlichen Leistungen
Die VoeB-Regelung lässt die Vergabe ohne Ausschreibung zu, wenn „Leistungen zur Ersetzung, Ergänzung oder Erweiterung bereits erbrachter Leistungen (...) dem ursprünglichen Anbieter oder der ursprünglichen Anbieterin vergeben werden müssen, weil einzig dadurch die Austauschbarkeit mit schon vorhandenem Material oder Dienstleistungen gewährleistet ist.“. Wieweit dies im Einzelfall zutrifft, kann nur aufgrund der jeweiligen Vereinbarungen und Vorleistungen beurteilt werden. Unbestritten ist, dass es Konstellationen gibt, bei denen ein Vergabeverfahren zu aufwändig wäre, um wettbewerbstaugliche Weiterentwicklungen zu machen. Es muss im Ermessen der Vergabebehörde liegen, zu entscheiden, in welchen Fällen eine Ausschreibung zu kostengünstigeren Produkten führen kann bzw. lediglich zu unnötigen zusätzlichen Aufwendungen.

Aufschlussreich – auch für die Kommunikationsbranche – sind die von Christoph Meyer zitierten Gerichtsentscheide:

- Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hat sich in einem Entscheid dahingehend geäussert, dass im Bereich der amtlichen Vermessung (Vergabe der Vermessung an ein Geometerbüro, welches bereits die Landumlegung durchgeführt hat) die Voraussetzungen für den Ausnahmetatbestand Anwendung finden kann.

- Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau weist darauf hin, dass eine rund 19 Jahre nach dem Bau der Anlage erfolgende Modernisierung und Erweiterung sich zweifellos nicht als „notwendige Ergänzungsarbeiten“ im Zusammenhang mit einem vergebenen Auftrag qualifizieren lässt.

Schlussfolgerung:

Werbe- und andere Kommunikationsagenturen werden sich künftig weit intensiver auch mit den formalen Aspekten der Submissionsgesetzgebung zu befassen haben, weil die freihändige Vergabe nur ausnahmsweise möglich ist.

 

Die gesetzlichen Grundlagen
Das GATT/WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement GPA) trat in der Schweiz am 1. Januar 1996 in Kraft. Auf Bundesebene ist das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen vom 16. Dezember 1994 (BoeB) und die Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 11. Dezember 1995 (VoeB) massgebend, auf kantonaler Ebene die interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 25. November 1994/15. März 2001/IVöB). Auf Bundes- und Kantonsebene findet zudem das Bundesgesetz über den Binnenmarkt vom 6. Oktober 1995 (BGBM) Anwendung. Schliesslich wurde auf den 1. Juni 2002 das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens vom 21. Juni 1999 in Kraft gesetzt (bilaterales Abkommen). Durch das bilaterale Abkommen wurde zwischen den Parteien der Geltungsbereich des WTO-Abkommens ausgedehnt. Neu gelten die GPA-Normen auch für die Gemeinden und Bezirke sowie für konzessionierte und andere leistungsbeauftragte private Unternehmen. Erfasst werden auch die Sektoren Telekommunikation und Schienenverkehr, der Energiebereich und der Verkehr.

 

Die Ausnahmetatbestände des GPA
Freihändige Vergabe ist unter anderem in folgenden Fällen möglich:

- Wenn im offenen oder selektiven Verfahren keine Angebote eingehen oder die Anbietenden die Teilnahmebedingungen nicht erfüllen.

- Aus technischen, künstlerischen oder immaterialgüterrechtlichen Gründen kommt nur ein Anbieter in Frage.

- Wenn wegen äusserster Dringlichkeit die Ware oder Dienstleistung nicht im offenen oder selektiven Verfahren beschafft werden kann.

- Ersetzung, Ergänzung oder Erweiterung der Ware oder Dienstleistung müssen dem ursprünglichen Anbieter vergeben werden, weil nur dadurch die Austauschbarkeit mit schon vorhandenem Material oder Dienstleistungen gewährleistet ist.

- Beschaffung von Prototypen oder neuartigen Dienstleistungen.

- Zuschlag für zusätzliche Baudienstleistungen, weil eine Trennung der zusätzlichen Baudienstleistungen vom ursprünglichen Auftrag aus technischen und wirtschaftlichen Gründen erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen würde.

- Bei Zuschlägen an Gewinner eines Wettbewerbs.

 

Schwellenwerte der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen
(Anhang VöB)

von Dr. iur. Bruno Glaus


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